Der durch den Ausstoß der Treibhausgase Kohlendioxid und Methan verursachte Klimawandel schreitet unerbittlich voran. Die durchschnittliche Lufttemperatur ist um ein Grad und die Temperatur in der Arktis um mehr als zwei Grad gestiegen. Das Wasser in den Ozeanen hat sich um etwa einen halben Grad erwärmt“, so Petteri Taalas, Generalsekretär der Weltorganisation für Meteorologie (WMO).
Ein höherer Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre wird durch die Verwendung fossiler Brennstoffe – Kohle, Öl und Erdgas – sowie durch Landnutzungsänderungen verursacht. Fossile Brennstoffe machen derzeit ca. 85 % der Energieerzeugung aus. Die übrigen 15 % entfallen auf Atomkraft, Wasserkraft und erneuerbare Energiequellen.
„Die größte Überraschung war der deutlich höhere Einsatz fossiler Brennstoffe. Immer wieder mussten wir die schlechtesten Prognosen aktualisieren. In den letzten beiden Jahren sind die Emissionen um fast 2 % pro Jahr angestiegen. Wir bewegen uns also nicht in die richtige Richtung.“
Die globale Erwärmung bewirkt eine Zunahme extremer Wetterereignisse. Im letzten Jahrzehnt wurde etwa die Hälfte der Erdbevölkerung von Naturkatastrophen wie heftigen Unwettern, Dürren, Hitzewellen und schweren Überschwemmungen heimgesucht. Die klimabedingten wirtschaftlichen Verluste haben sich in 30 Jahren verdreifacht, und das Problem wird sich in den nächsten 50 Jahren weiter verschlimmern.
Schritt 1: Emissionen senken
Die wichtigste Methode zur Eindämmung des Klimawandels ist die Reduzierung von Energie und Verkehrsemissionen. Erneuerbare Energiequellen haben sich inzwischen zu einer attraktiven Investition entwickelt. In China, den USA und Europa verzeichnen Solar und Windenergie ein rasantes Wachstum.
Im Verkehr enthalten Elektroautos und Biokraftstoffe den Keim einer Lösung. „Der Genfer Flughafen wollte mit der Betankung von Flugzeugen mit Biokraftstoffen beginnen, aber im Moment sind erneuerbare Kraftstoffe noch viel teurer als fossile Brennstoffe“, sagt Taalas.
Neben Kohlendioxid ist Methan eine bedeutende Quelle für den Ausstoß von Treibhausgasen. Methan entsteht bei der Rinderzucht und beim Reisanbau sowie bei der durch die Zerstörung von Regenwäldern verursachten Vermoorung.
„Der Beitrag der Methanemissionen zur globalen Erwärmung beläuft sich auf circa 17 %. Weil Methan aber nur 12 Jahre in der Atmosphäre verbleibt, ist dieses Problem leichter zu lösen. Die Wirkung von Kohlendioxid hält Jahrtausende an.“
Nadelwälder als CO2-Senken
Taalas ist besorgt über die Zukunft tropischer Regenwälder. „Regenwälder speichern erhebliche Kohlenstoffmengen. Die Verhinderung der RegenwaldAbholzung in Südamerika, Afrika und Asien ist eines der Hauptthemen bei den Klimaverhandlungen.“
Er weist darauf hin, dass die nördliche Nadelwaldregion eine höhere Regenerationskraft als Regenwälder hat. Die globale Erwärmung und höhere Niederschlagsmengen haben das Wachstum von Nadelwäldern gefördert, und die Waldgrenze nähert sich langsam den nördlichen Fjells. Die nördlichen Wälder binden somit mehr Kohlenstoff als je zuvor.
Wälder als CO2Senken spielen eine wichtige Rolle, weil sie die EU bei der Erreichung ihrer kurzfristigen Emissionsreduzierungsziele unterstützen. Mithilfe von CO2 Senken kann der Verzicht auf fossile Brennstoffe zwar aufgeschoben werden, aber Taalas betont, dass dies keine langfristige Lösung darstellt. CO2Senken reichen nicht aus, um die massiven Emissionen zu kompensieren, die weltweit durch fossile Energie verursacht werden.
„Wenn wir uns das Thema Holzernte ansehen, müssen wir überlegen, was für Wirtschaft und Beschäftigung sinnvoll ist. Die industriellen Herstellungsverfahren Finnlands sind umwelt- und klimafreundlich. Wenn wir Zellstoff, Papier und Karton nicht in der EU herstellen, werden sie andernorts hergestellt – und nicht unbedingt auf eine so nachhaltige Weise“.
Schmelzende Gletscher
Taalas kann das weltweit drohende Abschmelzen der Gletscher quasi von seinem eigenen Büro aus verfolgen. „Ein Großteil der weltweit erzeugten Wärme wird von den Ozeanen absorbiert. Im Zuge der globalen Erwärmung sind etwa 75 % der arktischen Eismasse geschmolzen. Dies hat zu einem Anstieg der Meeresspiegel geführt, dessen Ausmaß sich immer deutlicher berechnen lässt“, sagt er ernst.
„Wir hatten bisher einen Anstieg zwischen einem halben und einem Meter vorhergesagt. Laut aktuellem WorstCaseSzenario ist aber ein Anstieg von bis zu zwei Metern im nächsten Jahrhundert zu erwarten. Der Dreh und Angelpunkt ist die Schmelzrate der Antarktis und Grönlands. Die Schmelzrate des Gletschers in Grönland hat sich im letzten Jahrzehnt verdreifacht.“
Die steigenden Meeresspiegel können in großen Küstenstädten zu Überschwemmungen führen, die die städtische Infrastruktur gefährden. Die meisten dieser Gebiete befinden sich in Asien, aber auch London, San Francisco, New York und Buenos Aires könnten in Zukunft betroffen sein.
Infolge der anhaltenden Erwärmung warden auch die europäischen Gebirgsgletscher immer kleiner. Im vergangenen Sommer musste der Schiffsverkehr auf dem Rhein, Europas wichtigster Flussroute, zwei Monate lang eingestellt werden, weil der Wasserpegel monatelang auf einem Rekordtief verharrte.
Der Rhein ist nicht nur vom Regen abhängig, sondern auch vom Schmelzwasser der alpinen Gletscher. Die Wassermenge im Fluss nimmt aufgrund der globalen Erwärmung kontinuierlich ab, was künftig noch größere Herausforderungen für den Schiffsverkehr bedeutet.
Von Trockenperioden gelähmt
Die Gletscher des HimalayaGebirges speisen viele große Flüsse in Asien mit frischem Wasser. Weil die Gletscher kleiner werden, fließt weniger Wasser in diese Flüsse, und dies wird für die Landwirtschaft, die Bevölkerung und den Wohlstand langfristig zu großen Problemen führen.
Bisher gehören Veränderungen bei Niederschlägen zu den wichtigsten Faktoren für die Ermittlung der Gesamtauswirkungen des Klima wandels.
„Wenn wir die aktuelle Emissionshöhe beibehalten, wird die Durchschnittstemperatur bis Ende des Jahr hunderts etwa 3 bis 5 °C über der Durchschnittstemperatur des 19. Jahrhunderts liegen und dann im nächsten Jahrhundert noch einmal um bis zu 4 °C ansteigen. Dürren, Niederschläge und steigende Meeresspiegel werden die Landwirt schaft so stark verändern, dass es schwierig wird, die wachsende Erdbevölkerung zu ernähren“, schätzt Taalas.
In Afrika breiten sich die dürregeplagten Gebiete weiter nach Süden und Norden aus, aber auch viele andere wichtige landwirtschaftliche Gebiete leiden.
„Ende des Jahrhunderts könnten in Afrika bis zu vier Milliarden Menschen leben. Die Landwirtschaft ist ein wichtiger Arbeitgeber und das Fundament vieler Volkswirtschaften. Wenn sich die Klimabedingungen radikal verschlechtern, könnte dies zu Krisen und großen Flüchtlingsströmen führen.“
Gipfel für Veränderungen
Nach Taalas haben wir bis 2070 Zeit, fossile Energie aufzugeben, wenn wir das 2GradZiel des Pariser Klimavertrags anstreben. Möchten wir das vom IPCC angegebene 1,5GradZiel einhalten, müssen wir den Emissionsanstieg in den nächsten fünf Jahren umkehren und die Nutzung fossiler Brennstoffe bis 2050 vollständig beenden.
In der Vergangenheit waren Industrie länder die größten Treibhausgaserzeuger, in den letzten 20 Jahren hat Asien die Führung übernommen. Auch Länder außerhalb der OECD haben in den letzten Jahren ihre Emissionen rapide erhöht.
„Selbst wenn die USRegierung aus dem Vertrag aussteigen sollte, haben viele amerikanische Unternehmen, Städte und Bundesstaaten ehrgeizige Ziele und Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels.“
Obwohl die Solar und Windenergie nach einem Bericht der Internationalen Energieagentur um zweistellige Zahlen wächst, reicht dies nicht, um mit dem wachsenden Stromverbrauch Schritt zu halten. Das Defizit wird hauptsächlich mit fossilen Brennstoffen ausgeglichen.
Dieser alarmierende Trend gibt weltweit Anlass zur Sorge. António Guterres, Generalsekretär der UN, richtet im Herbst einen UNGipfel zum Klimawandel aus, und Taalas ist für die wissenschaftliche Seite zuständig.
„Wir möchten, dass die Mitgliedsländer über neue Maßnahmen diskutieren, mit denen wir schneller zu einer emissionsarmen Welt gelangen. Der Wandel stellt auch eine Ge schäftschance dar, von der die Vorreiter am meisten profitieren können.“
Text: Vesa Puoskari
Fotos: UPM; Malachy Harty